Tot, erfroren, abgestürzt und trotzdem ein super Wochenende.

 

Samstagmittag, die Sonne erhitzt die Luft in sommerlicher Manie.

Auf der kurzen Fahrstrecke zum Treffpunkt ist meine Bluse zum ersten, aber nicht letzten, Mal an diesem Tag durchnässt vom Schweiß.

Die wenigen Minuten bis mein Mitfahrer ankommt, reichen jedoch aus um wieder trocken zu werden.

 

Auf geht’s, da ich die Hinfahrt geplant habe darf ich natürlich vorfahren.

Nach einigen Kilometern das erste Hindernis, eine Straße ist nur teilweise befahrbar, dann folgt eine Sperrung. Es nützt nichts, wir müssen umdrehen und einen anderen Weg nehmen. Zum Glück kenn ich mich hier noch aus und habe sofort eine Alternative parat.

Doch scheint heute irgendwas gegen mich zu arbeiten, denn als ich in die nächste geplante Teilstrecke abbiegen will wieder eine Straßenvollsperrung wegen Bauarbeiten. Haben wir eine Maulwurfplage von der ich noch nichts mitbekommen habe?

Auch diese Umleitung kann ich mir noch im Kopf ausdenken, doch wenn das weiter so geht dann können wir bald nur noch nach Karte fahren und das wird wegen der vielen Stopps nicht viel Spaß machen.

 

Völlig in diese Gedanken versunken biege ich am Ende des Umweges nach Rechts ab und merke schnell, dass ich falsch bin. Ich mache einfach aus der Not eine Tugend und fahre bis zum nächsten Kreisverkehr. Da lässt es sich immer noch am einfachsten drehen. Was in dem Moment mein Mitfahrer denkt hab ich leider bisher nicht erfahren. Doch ich kann mir gut vorstellen, dass er sich insgeheim köstlich amüsiert.

Die restliche Strecke ist dann, bis auf eine kleine Unstimmigkeit, nur noch angenehm. Und wir erreichen unser Ziel sogar in meiner gedanklichen Zeitvorgabe.

 

Angekommen, ich bin ja mal gespannt was mich hier erwartet. Immerhin ist es mein erster Motorradevent.

Wir fahren auf den für Motorräder vorgesehenen Parkplatz. Da es ein Reitplatz ist, fühle ich mich auf diesem weichen sandigen Untergrund mit meinem Motorrad nicht sehr wohl. Sehr gefühlvolles Fahren ist angesagt, damit die Maschine nicht wegrutscht.

Beim Abstellen dann die nächste Schwierigkeit. Mein Seitenständer versinkt ohne spürbares Hindernis langsam aber stetig im sandigen Untergrund. Desgleichen würde auch mit dem Hauptständer geschehen. Wie zum Kuckuck haben die anderen ihre Maschinen abstellen können, ohne sie hinterher auf der Seite liegend wieder vorzufinden? Den ersten Teil des Rätsels kann ich lösen als mein Begleiter seine Maschine ohne Schwierigkeiten abstellt.

Die Harleys haben einen viel breiteren Ständerfuß und durch ihre größere Schräglage auch eine andere Gewichtsverteilung als z.B. mein Motorrad. Und damit ich auch sie auf dem „Treibsand“ abstellen kann kommt mir ein anderer Biker zu Hilfe. Er reicht mir ein simples Brettchen. Dies unter den Ständer gelegt hilft alle Fragen zu beseitigen und ich kann endlich absteigen.

Neben uns ist eine kleine Biker-Gruppe grade dabei zu einem Kurztrip aufzubrechen. Einer der Fahrer, ist wenig einfühlsam und gräbt sein Hinterrad immer weiter in den Sand. Als er versucht seine Maschine dann aus der Sandgrube zu schieben, gerät sie soweit in Schieflage, dass er sie nur noch mit großer Mühe vor dem Absturz abfangen kann.

Ich entschließe mich ihm zu helfen und gemeinsam schieben wir das Bike rückwärts. Danach bemüht er sich wieder mit viel Gas vorwärts zu kommen. Ist natürlich immer noch zwecklos. Also rede ich geduldig auf ihn ein, das Gas sehr minimal einzusetzen. Und siehe da, mit einmal klappt es. Mein Begleiter meinte daraufhin mit einem süffisanten Lächeln: „Das tut weh, - sich von einer Frau helfen lassen zu müssen und dann weiß sie auch noch wie es geht.“ Lachend befreien wir unsere Motorräder vom Gepäck und machen uns auf den Weg.

 

Der Zeltplatz besteht aus drei großen, terrassenförmigen Rasenflächen.

Die dazwischen liegenden Böschungen sind mit kleineren Bäumen und Sträuchern bewachsen. Wir machen den Standplatz vom Zelt abhängig, von der Möglichkeit meine Hängematte in der Nähe aufhängen zu können. Schnell zeigt sich, dass das mindestens hüfthohe Gestrüpp zwischen den Bäumen dabei hinderlich wird. Irgendwann finden wir aber doch noch eine passende Stelle. Lediglich ein wenig Strauchwerk muss weichen.

 

Nach der Platzierung der Nachtlager gönne ich mir erst mal eine Auszeit und teste die Hängematte. Als ich wieder aus den Stoffbahnen auftauche, ist grade ein Biker dabei, nachdem er sich frisch gemacht hat, sich wieder anzukleiden. Während er, noch ohne Hosen, versucht in seine Boxershorts zu balancieren, machen ihn seine Kumpels laut lachend auf mich aufmerksam. Was natürlich nicht grade dazu führt, dass sein Balanceakt schnell Erfolg verspricht. Zu dumm aber auch, dass ich keine Brille auf habe und eh nichts sehen kann. Somit könnte er weiterhin wie Rumpelstilzchen über die Wiese hüpfen.

 

Da wir ja früh vor Ort sind, bleibt auch noch Zeit eine kleine Tour zu fahren. Ohne Planung machen wir uns auf den Weg. Eine kleine Eisdiele wird getestet, und das Eis für lecker befunden. Den Rückweg finden wir ohne Hilfsmittel, weil einer von uns beiden immer die richtige Richtung vorschlägt.

 

Den Abend verbringen wir bei Spießbraten-Brötchen, Bier, Cocktails und harter Rockmusik. Dabei kann man dann so herrlich die harten Biker beobachten, und stellt fest … es sind eben auch nur Menschen.

Natürlich findet man hier auch viele Typen, die einfach durch ihr Äußeres auffallen. Doch im Grunde verhalten sich alle recht geschlechtstypisch.

Das ist besonders markant, wenn auf der Bühne mal wieder eine Mieze erscheint und sich aus ihrer eh schon knappen Bekleidung schält.

Vor ihrem Auftritt verteilt sich die anwesende Männlichkeit über den ganzen Platz, bzw. findet sich in der Nähe der Bierausgaben.

Doch sobald ein nackter Akt auf der Bühne zu erwarten ist, kriechen die Jungs aus den hintersten Ecken ans Licht und stürmen vor die Bühne.

Dort werden dann alle fototechnischen Gerätschaften ausgepackt und es wird versucht, trotz erhöhtem Promille-Wert, ein scharfes Bild zu erlangen. Wobei das „scharf“ gerne mehrdeutig gesehen werden darf.

Bei einem derartigen Benehmen könnte man wirklich auf die Idee kommen, Frauen sind so gut wie ausgestorben und es gilt eines der letzten Exemplare wenigstens so noch für die Nachwelt zu erhalten.

Oder sollten diese harten Jungs einfach alle viel zu schüchtern sein, um mal eine Frau anzusprechen und ihr so näher zu kommen?

 

Irgendwann später in der Nacht habe ich mich in meine Hängematte zurückgezogen. Doch oh Schreck, oh Graus, was muss ich feststellen.

Nein, niemand hat mein luftiges Bett beschädigt. Aber die Natur hat mir eine Laterne aufgehangen. Der Mond, welcher sehr voll am Himmel steht, ist zwar hinter einem Wäldchen schon in Deckung gegangen, doch für die nächsten Stunden scheint sein Licht durch das Astwerk, wie ein  Strahler im Theater, direkt auf meine Hängematte und somit in mein müdes Gesicht. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mir mein Kissen aufs Gesicht zu legen und so das Licht auszuschalten. Doch an Schlaf ist immer noch nicht zu denken. Denn auf der obersten Camping-Terrasse sind ein paar Biker damit beschäftigt ihre Musikanlage zu testen. Dieser Test fällt äußerst positiv aus, denn für mich ist die Musik lauter zu hören als dass was an Geräuschen noch vom Festplatz hoch schallt. Da ich kaum Alkohol getrunken habe verfalle ich leider nicht in den Schlaf der Glücksseeligkeit, sondern liege noch länger in der Matte und lausche den wechselnden Geräuschen der Nacht, die immer wieder durch laute Musik unterbrochen werden.

In immer mehr Zelten werden nach und nach die Kettensägen ausgepackt … oder haben die alle einen Bären im Winterschlaf mitgebracht? Ab und zu wird das eine oder andere Schnarchen von einem Schmatzen unterbrochen, oder eine Luftmatratze gibt, bei der Bewegung ihres Lagerverwalters, seltsame Geräusche von sich.

 

Doch interessant wird es für meine Ohren erst, als ich auf der Böschung unter meiner Schlafstätte, Rascheln und leises Piepsen gewahr werde. Da sind tatsächlich Mäuse auf Nachtwanderung. Bleibt abzuwarten ob sich eine übers Astwerk auch in meine Hängematte verirrt. Über diese beruhigenden Gedanken sinnierend schlafe ich dann irgendwann auch ein.

Nach gefühlten 10 Minuten bin ich aber schon wieder wach. Erneutes einschlafen zwecklos. Mir ist schrecklich kalt und die Morgendämmerung hat auch bereits eingesetzt. Ich schäle meine Knochen langsam aus der klammen Hängematte und mache mich auf den Weg zum Festplatz. Da sind auch Leute. Aber ich bin die Einzige die schon geschlafen hat.

Auf meine Nachfrage erfahre ich dann auch die Uhrzeit: 4.30 Uhr.

Eigentlich ja noch viel zu früh zum aufstehen, zumal viele der Anwesenden sich langsam auf den Weg in die Horizontale begeben. Doch es nutzt nichts, ich setze mich erst mal ans Feuer um wieder warm zu werden. Da finden sich auch schnell einige Gesprächspartner. Langsam werden meine Knochen wieder warm und die Muskeln geschmeidig. Und irgendwie kehrt auch die Müdigkeit noch mal zurück.

Da der Tag ja noch sehr jung ist, beschließe ich, mich noch mal in die Höhenlage zu bewegen.

Unterwegs fällt mir ein Biker auf, der in der sandigen Reitbahn einfach neben seinem Bike schläft. Hat er Angst es klaut einer? Oder hat er es nicht mehr weiter geschafft? Egal, mir käme solch ein Schlafplatz jedenfalls nicht in den Sinn.

 

Bei meiner Schlafstätte angekommen wickle ich mich erst mal wieder in die Decke, stell mich in Position und zieh den vorderen Rand der Hängematte unter meinen Po, - dachte ich zumindest. In dem Moment in dem ich mich nach hinten sinken lasse merke ich jedoch, dass was falsch gelaufen ist. Denn anstelle in der Hängematte, lande ich rücklings auf der Böschung und meine Beine bleiben in Kniehöhe an der Hängematte hängen. Die ist zu einem einzigen Stoffstrang zusammengezogen, und mir schwant so langsam was schief gelaufen sein könnte. Ein herzhaftes Lachen macht sich in mir breit und bahnt sich, nach anfänglichem Glucksen, seinen Weg in den frühen Tag.

 

Da liege ich nun also: mit abgeknickten Beinen, auf dem Rücken und habe keinen Schimmer wie ich mich aus dieser misslichen Lage wieder befreien könnte. Jeder Versuch mich zu bewegen führt nur unweigerlich dazu, dass ich auf der steilen Böschung weiter nach unten rutsche und dadurch mein Beine in der Leiste noch weiter abknicken und das die Hoffnung auf eine Befreiung noch unmöglicher werden lässt. Ich bin nur froh, dass ich wenigstens mit dem Kopf bergauf liege. Denn anders herum hätten mich meine Lachanfälle bestimmt schon ersticken lassen.

In den kleinen Pausen, in den ich nach Luft jappse, versuche ich auch zu ergründen ob einer der Zeltinsassen vielleicht auf mich aufmerksam geworden sein könnte. Doch selbst als ich meinen Begleiter beim Namen rufe verhallt dies ungehört im morgendlichen Vogelgezwitscher.

Aus den Zelten ist weiterhin nur ein vielfältiges Schnarchkonzert zu vernehmen. Ich werde mir meiner ausweglosen Situation immer mehr bewusst. Es bleibt also nichts anderes übrig, als zu versuchen die Lachsalven zu stoppen und meine Kräfte auf meine Beine zu konzentrieren.

Nach unzähligen erfolglosen Versuchen, gelingt es mir tatsächlich irgendwann mein rechtes Bein zu befreien. Erleichtert atme ich auf. Jetzt sollte auch das zweite Bein ganz schnell wieder frei beweglich sein.

Denkste … Obwohl ich mich nun mit dem rechten Bein abstützen und den Hang wieder rauf schieben kann, gelingt es mir nicht das linke Bein auch von der Hängematte zu lösen. Wieder muss ich Tränen lachen.

Eigentlich bin ich ja froh, dass alle so tief und fest schlafen, so kann wenigstens niemand auf die Idee kommen mich in dieser äußerst amüsanten Situation zu fotografieren.

Doch alle schlafen nicht … ein leises Rascheln neben meinem rechten Ohr lässt mich den Kopf drehen. Nun ist die Karikatur perfekt. Das ist zuviel … ich liege immer noch hilflos auf einer Böschung und häng mit einem Bein in der Hängematte fest, fühle mich wie ein Krabbelkäfer auf dem Rücken und nun sitzt da eine kleine Maus und schaut mich mit ihren niedlichen schwarzen Knopfaugen an, als wollte sie sagen: „Mensch Mädel jetzt mach dich endlich vom Acker, du liegst auf meinem Hauseingang. Meine Kinder haben Hunger und wegen dir ist die Speisekammer noch leer.“

 

Ich werde jetzt an die Hersteller von Hängematten schreiben und um den Einbau von Notfallschirmen oder Rettungswesten bitten. Wenn ich das noch mal erleben muss lach ich mich tot.

 

So gegen 7 Uhr kriechen die Zeltbewohner langsam wieder ins Leben zurück. Der, dessen Zelt meiner Unfallstelle am nächsten stand, meinte nachdem er das Tageslicht erblickte: „Was waren das die Nacht eigentlich für seltsame Geräusche? Habt ihr das auch gehört?“

 

Seltsame Geräusche??? Ich habe mich fast um den Verstand gelacht und keiner hat mir geholfen. Welche Geräusche hätte er denn hören müssen um mal nachzusehen???

 

Ich möchte hier jedenfalls nur noch weg. Wir beschließen auf das Frühstück zu verzichten, packen unsere Sachen wieder zusammen und machen uns gemütlich auf den Heimweg. Zu Hause entkleide ich mich so schnell es nur geht und fall todmüde … nein, nicht neben das Bett, sondern in die Kissen. Es bleibt keine Zeit mehr in Gedanken die letzten Stunden noch mal Revue passieren zu lassen. Nicht mal einen Atemzug später bin ich schon eingeschlafen.